»Ich möchte möglichst vielen Menschen einen Startblock bieten.«
Wie wird man eigentlich zum Stifter – und was steckt hinter der Vision der forêt noire Stiftung? Ein Gespräch mit Stifter und Gründer Tim Moog
Tim, du hast im Jahr 2023 die gemeinnützige forêt noire Stiftung gegründet. Was hat es damit auf sich?
Ich möchte junge und besondere Menschen dabei unterstützen, ein lebenswerteres Leben zu führen. Darum fördert die forêt noire Stiftung unterschiedliche Projekte, die auf nachhaltige Weise auf dieses Ziel hinarbeiten.
Wie wurdest du zum Stifter?
„Stifter“ klingt immer so Ich-bezogen. Darum sage ich lieber, dass ich eine Stiftung ins Leben gerufen habe. Ich komme eigentlich aus der Wirtschaftswissenschaft. Zuletzt war ich als Vorstand und Aktionär bei einem Unternehmen tätig, das über 5.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt und technische Beratungs- und Ingenieursdienstleistungen erbracht hat.
Beruflich bin ich in der ganzen Welt herumgekommen. Das war zwar super spannend, aber hat auch an meiner Substanz gezehrt. Vor drei Jahren haben wir das Unternehmen ungeplant aber mit strategischer Perspektive für unsere Mitarbeiter an einen Übernehmer verkaufen können. Damit einher ging auch ein entsprechender Kaufpreis.
Mir war sofort klar, dass ich für mein Leben niemals so viel Geld brauchen werde. Mit diesem „Zuviel“ möchte ich auf möglichst nachhaltige Art Gutes, Sinnvolles bewirken, darum habe ich die Stiftung gegründet und mit einem Stiftungskapital von 10 Millionen Euro ausgestattet. Mehrere Leute haben mich ungläubig gefragt: „Bist du dir sicher? Dein Geld ist dann weg!“ Aber ich war mir zu hundert Prozent sicher, das Geld ist ja nicht weg, sondern wird auf Dauer für sinnstiftende Zwecke verwendet. Mit diesem Schritt hat die Stiftung definitiv einen Hebel, um tatsächlich etwas zu verändern.
Was treibt dich an?
Egal, ob als Unternehmer oder jetzt in der gemeinnützigen Arbeit: Mich hat schon immer die Abenteuerlust angetrieben, an Herausforderungen zu wachsen. Ich möchte im Rahmen meiner Möglichkeiten das Beste für die Gesellschaft tun und die Werte und Erfahrungen weitergeben, die mir in meinem Leben geholfen haben. Und dabei Spaß haben! (lacht)
Gab es einen bestimmten Moment in deinem Leben, der dich dazu inspiriert hat, dein privates Vermögen für gute Zwecke einzusetzen?
Ich habe nach der Schule noch Zivildienst leisten müssen – und das war ein absoluter Glücksfall. Diese Erfahrung hat mich für mein Leben geprägt. Ich habe in der mobilen Altenpflege gearbeitet und bin jeden Tag zu maximal hilfsbedürftigen Menschen gefahren, die sich kein Pflegeheim leisten konnten. Ich habe sie gewaschen und durch den Tag begleitet.
Trotz aller Not waren diese Menschen unglaublich dankbar für jede Zuwendung. Das hat mich tief geprägt und mir vor Augen geführt, worauf es wirklich ankommt: Menschlichkeit. Egal, wo wir herkommen und was wir im Leben bewerkstelligen – letzten Endes sind wir alle gleich, sobald wir auf Hilfe angewiesen sind. Diese Zeit in der Altenpflege hat mich enorm geerdet und mir Demut vor dem Leben vermittelt.
Ich musste aber auch viele negative Erfahrungen mit der Maschinerie der Pflegeindustrie machen. Mein Schwiegervater lag über sieben Jahre im Wachkoma. Meine Mutter ist mit fortgeschrittener Demenz seit über vier Jahren im Pflegeheim. Zwischen Optimierung und Standardisierung bleibt eigentlich keine Zeit für Menschlichkeit. Mit der forêt noire Stiftung kann ich das System natürlich nicht revolutionieren. Aber ich kann dazu beitragen, dass das Leben von zahlreichen hilfsbedürftigen Menschen ein bisschen lebenswerter wird. Dieser starke soziale Aspekt ist einer von drei Bausteinen meiner Vision für die Stiftung.
Was gehört abgesehen vom Sozialen zu dieser Vision?
Mein Leben und Werdegang wurden durch die Ökonomie geprägt. Aber ich stelle immer wieder fest, dass unternehmerische Bildung an den Schulen so gut wie keine Rolle spielt. Ich möchte jungen Menschen wirtschaftliche Zusammenhänge näherbringen. Warum? Weil ein grundsätzliches Verständnis davon für alle Lebensbereiche extrem wichtig ist.
Einfach zu erwarten, dass die Gemeinschaft schon für einen sorgt, ohne selbst etwas beizutragen, funktioniert nicht. Das ganze Leben besteht aus Geben und Nehmen. Und damit meine ich keine rein monetäre Betrachtung über Ein- und Ausgaben. Aber man muss sich trauen, loszulaufen und etwas beitragen, das einen gewissen Nutzen für die Gesellschaft erzeugt. Für unternehmerischen Erfolg braucht es Mut, Verantwortungsbewusstsein und Kreativität.
Um Veränderungen mitzugestalten, muss man einen Blick dafür entwickeln, wie man die eigenen Stärken und Fähigkeiten sinnvoll einsetzen kann. Man muss mit Menschen zusammenarbeiten und mit Durchhaltevermögen ein gemeinsames Ziel verfolgen. Und lernen, mit Erfolgen und Misserfolgen umzugehen. All das ist für mich die eigentliche Ökonomie. Und ich bin davon überzeugt, dass junge Menschen in ein selbstbestimmtes und erfolgreiches Leben starten können, wenn sie diese Werte vermittelt bekommen.
Und was ist der dritte Schwerpunkt der Stiftungsarbeit?
Unsere natürlichen Ressourcen setzen all unserem Handeln Grenzen. Ein ökologisches Bewusstsein ist darum ganz wesentlich. Wir Menschen sind von der Umwelt abhängig, darum sollten wir gefälligst respekt- und verantwortungsvoll mit ihr umgehen. Ich bin zum Beispiel leidenschaftlich gern in der Natur. Wenn ich auf einem Berg steige, dann bin ich natürlich ein bisschen stolz auf meine Leistung, aber vor allem empfinde ich eine große Demut vor der Welt, die mich umgibt. Naturerleben zeigt mir immer wieder, wie klein und nichtig wir Menschen eigentlich sind, auch wenn wir uns noch so wichtig vorkommen. Diesen Respekt vor der Natur und das Erlebnis in der Natur möchte ich weitergeben.
Was bedeutet das für die konkrete Arbeit? Bedienen alle von der Stiftung geförderten Projekte die drei Bereiche Soziales, unternehmerische Bildung und Ökologie?
Im besten Fall ja, für mich gehört alles zusammen. Klar, jedes Projekt hat einen Schwerpunkt. Aber wir versuchen, die Elemente zu einem Kreislauf zu verbinden, einem nachhaltigen Generationenmodell. Wenn wir zum Beispiel Jugendliche in den Schulen zu Entrepreneurship Education ausbilden, sollen sie ermutigt werden, ihre eigenen Ideen in und für die Gemeinschaft umzusetzen. Dabei geben wir Impulse für Soziales, verantwortungsvolles Wirtschaften und unseren natürlichen Lebensraum mit. So startet eine Gruppe von Jugendlichen beispielsweise damit, sich mit der Produktion von Honig auf dem Schuldach zu beschäftigen. Von den notwendigen Anschaffungen bis zum Verkauf wird das nur klappen, wenn man sich mit den dahinterliegenden wirtschaftlichen und ökologischen Zusammenhängen auseinandersetzt. Oder unser aktuelles finanzielles Engagement in eine hochmoderne Windanlage. Dabei können junge Menschen spannende Einblicke in ressourcenschonende Technologien und reale Geschäftspläne erhalten. Die Erträge aus der Stromproduktion der nächsten zwanzig Jahre verwenden wir wiederum zum Beispiel für Naturerlebnisse für geistig und körperlich behinderte Menschen. Wenn bei diesen Erlebnistagen dann noch Schüler aus inklusivem Schulprojekten mit unterstützt werden, haben wir einen perfekten Kreislauf.
Jugendliche und pflegebedürftige Menschen befinden sich ja in sehr unterschiedlichen Lebenssituationen. Wie kommt es zu diesen beiden Zielgruppen?
Aus Respekt vor dem Leben und der Menschenwürde heraus ist es mir sehr wichtig, besondere Menschen zu unterstützen. Damit meine ich vor allem Menschen mit körperlicher und geistiger Behinderung, oder Menschen, welche durch eine Notsituation auf wirtschaftliche Unterstützung angewiesen sind. Wir planen beispielsweise mit unseren Kooperationspartnern ein finanzielles Engagement in inklusiven Wohnraum im Schwarzwald-Baar-Kreis. Dort können Menschen mit Behinderung in einem sozialen, bunten Lebensraum mit nicht-behinderten Menschen zusammenleben.
Erinnerst du dich an eine Situation in deiner eigenen Jugend, in der dir jemand eine wichtige Lektion mit auf den Weg gegeben hat?
Ich erinnere mich noch gut an eine Begegnung mit meinem Vater. Ich kam gerade frisch von der Uni, mit tollen Noten in der Tasche. Und mein Vater, der nie studiert hatte, sagte: „Hör auf, immer nur Probleme aufzuzeigen. Fang endlich an sie zu lösen!“ Auch wenn es taff war – dieser Satz hat mich geprägt. Denn ewiges Analysieren und akademisches Besserwissen ist genau das Gegenteil von Mut zur Veränderung, von der Übernahme von Verantwortung. Darum bin ich ein großer Verfechter davon, einfach loszulegen. Ins Machen und Tun zu kommen, statt nur zu reden und abzuwägen. Dazu gehört allerdings auch, Risiken einzugehen und mit den eigenen Fehlern umgehen zu können. Ich habe in meiner beruflichen Laufbahn auch das Scheitern gelernt. Unser Familienunternehmen ist insolvent gegangen, das war eine sehr schwierige Zeit.
Was hast du vom Scheitern gelernt?
Ich bin, wer ich heute bin, weil ich auch Misserfolge erlebt habe. Natürlich ist es nicht schön, wenn ein Unternehmen unter deiner Leitung insolvent geht. Wir haben auch viel Zeit vor Gerichten verbracht. In meinem Heimatort haben die Leute hinter meinem Rücken über mich geredet. Aber die Erfahrung war im Rückblick unbezahlbar. Ich habe verstanden, was die Probleme des Unternehmens waren. Ich habe meine eigenen Fehler erkannt und daraus gelernt. Ich habe danach nicht aufgegeben, sondern weitergemacht. Ich habe promoviert und bin parallel dazu beim nächsten Unternehmen eingestiegen. Dort wurden genau die herausfordernden Erfahrungen in Krisensituationen geschätzt. Und vor allem habe ich nicht aufgehört, an meine eigenen Fähigkeiten und an die Menschen um mich herum zu glauben. Das hat mir die Kraft gegeben, neu anzufangen.
Die Vision der forêt noire Stiftung baut auf den Erfahrungen und Überzeugungen deines bisherigen Lebens auf. Warum heißt sie nicht „Tim Moog-Stiftung“?
Ich möchte kein Denkmal mit meinem Namen darauf! Dafür nehme ich mich selbst nicht wichtig genug. (lacht) Als ehemaliger Leistungsschwimmer geht es mir um einen Startblock ins Leben für Jedermann und -frau. Ich möchte immer auf Augenhöhe mit allen Beteiligten im Team zusammenarbeiten. Mit meinem Namen darüber gäbe es automatisch ein hierarchisches Gefälle. Ich habe die Stiftung „forêt noire“ genannt, weil ich im Schwarzwald groß geworden bin, mich mit der Region sehr verbunden fühle und weit über den regionalen Tellerrand hinausschauen durfte. Die geförderten Projekte finden dort statt, wo wir unsere Lebenszeit verbringen: im Schwarzwald-Baar-Kreis, in Nordrhein-Westfalen und auch in Graubünden.
Die Stiftung ist laut Satzung für die Ewigkeit angelegt. Wo soll sie in 100 Jahren stehen?
Ich wünsche mir, dass die Stiftung über mein eigenes Leben hinauswächst und sich weiterentwickeln wird. Bestenfalls vervielfältigt sich unsere Vision, wenn immer mehr Menschen von den Stiftungszielen überzeugt werden und mitmachen. Mitmachen in den Projekten selbst, als Projektträger, als Unterstützer, als Spender, oder auch über weitere Zustiftungen. Ich selbst habe keine Kinder. Wenn ich irgendwann nicht mehr bin, wird auch mein restliches Vermögen auf die Stiftung übertragen. Ich hoffe, dass damit viele Menschen dabei unterstützt werden, ein selbstbestimmtes und lebenswertes Leben zu führen.
Dr. Tim Moog, 1973 in Furtwangen geboren, verheiratet mit Linn Katharina Moog, ist Diplom-Ökonom, Entrepreneur und Stifter. Nach diversen unternehmerischen Engagements und seiner Promotion im Bereich Wirtschaftswissenschaften stieg er im Jahr 2008 als kaufmännischer Geschäftsführer und Gesellschafter bei der P3 Gruppe ein.
Seit 2019 war er Vorstand der umlaut SE, einer Abspaltung von P3. 2021 wurde umlaut an Accenture verkauft. Nach erfolgter Integration ist Moog 2023 dort ausgeschieden und seither als Unternehmer und Stifter aktiv. Im Zuge des Verkaufs 2021 gründete Moog die gemeinnützige forêt noire Stiftung, die soziale und ökologische Projekte im Zusammenspiel mit ökonomischer Bildung fördert.